Frank Wedekind rüttelte mit seinen oftmals provozierenden Bühnenstücken die Münchner Gesellschaft auf und stand deshalb unter besonderer Beobachtung von Seiten der Zensurbehörde. Er stellte sich offen gegen den Zensurbeirat, und Thomas Mann geriet durch seine Berufung in dieses Gremium unmittelbar in den Fokus nicht nur Wedekinds, sondern auch anderer Schriftsteller, die eine ähnliche Haltung vertraten. Dass Mann sich, wie aus seinem Gutachten vom 30. April 1913 über das schließlich mit einem Aufführungsverbot belegte Drama ›Lulu‹ hervorgeht, keineswegs für eine strenge Zensur, sondern im Gegenteil nachdrücklich für die künstlerische Freiheit aussprach, half ihm nicht: Im Mai 1913 erklärt er seinen Austritt aus dem Zensurbeirat und führte in seinem Schreiben an den Polizeipräsidenten »[k]ollegiale Rücksichten« als Grund an.
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Thomas Mann, 1875–1955, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Ab 1933 lebte er im Exil, zuerst in der Schweiz, dann in den USA. Erst 1952 kehrte Mann nach Europa zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb.