Wie wurden Jüdinnen und Juden vor Gericht behandelt und welche Handlungsspielräume hatten sie?
Juden im frühneuzeitlichen Strafrecht sollten wie alle Untertanen in der hierarchisierten Ständegesellschaft behandelt werden. Gleichzeitig existierten diskriminierende Bestimmungen, die nur für Juden galten und ihnen einen Sonderstatus zuwiesen. Vera Kallenberg analysiert erstmals systematisch, wie sich dieser rechtliche Sonderstatus auf die Behandlung und Handlungsmöglichkeiten von jüdischen Frauen und Männern vor dem Strafgericht der christlichen Obrigkeiten auswirkte. Dies zeigt die Autorin am Beispiel der Reichsstadt Frankfurt am Main mit ihrem jüdischen Ghetto, der ‘Judengasse’, und vor dem Hintergrund der Umbrüche zwischen Spätaufklärung und dem Ende der napoleonischen Ära. Die Reformvorhaben in dieser Zeit zielten auf die staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden sowie auf eine Reform der Strafjustiz und des Gerichtswesens. Wie die Autorin zeigt, erwies sich diese Übergangsphase aus der Perspektive der jüdischen Minderheit jedoch als äußerst ambivalent. Damit macht sie die Widersprüche und Ungleichzeitigkeiten sichtbar, die die jüdische Geschichte Frankfurts in diesem Zeitraum durchzogen.
About the author
Vera Kallenberg promovierte in Frankfurt am Main, Paris und Berlin. Ihre geschichtswissenschaftliche Dissertation schloss sie 2016 an der Technischen Universität Darmstadt und der École des Hautes Études en Sciences Sociales Paris ab. Seit 2017 arbeitet sie an der FU Berlin und der Vanderbilt University, Nashville (Tennessee), an einer kritischen Ausgabe der Werke von Hannah Arendt.