Drei Jahreszahlen spielen in diesem bemerkenswerten Buch eine wichtige Rolle: 1942, 1949 und 1961. Wie lange kann eine Freundschaft zwischen zwei Jungen halten? Als Siegfried Stufenhauer und Wolfgang Siebensohn, beide Jahrgang 1942 zur Welt und 7 Jahre später, als sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR gegründet werden, zur Schule gekommen, glauben sie, dass ihre Freundschaft ein Leben lang dauern wird. Aber dann kommt der 13. August 1961, die Mauerzeit beginnt, und einige Zeit später passiert ein Unglück. War es ein Unfall, war es Absicht?
Der TRABANT knattert durch einen Wald, hüpft über Schlaglöcher. Oktobersonne blendet scheinwerfergrell aus mancher Schneise.
Hier waren wir noch nie, wundert sich Wolfgang.
Ich kenne, sagt sie hastig, da, wo jetzt Sperrzone ist, jeden Weg und Steg. Als ich Kind war, konnte noch jeder hin. Ich habe dir zu Pfingsten eine Stelle gezeigt, von der Kurve zur Burg Kranichstein aus, du erinnerst dich?
Ich wusste gar nicht, dass du mit solchen Gedanken spielst.
Ich spiele nicht! Es gibt da eine Brücke.
Die ist vermint.
Mein Vater meint, die nicht. Wir sollten nachsehen.
Ich will nicht mehr. Es war eine Schnapsidee.
Ach! Diese Frau will dich nicht mehr, nicht wahr?
Ich, ich will es nicht! Er brüllt es fast. Sie hat die Katze aus dem Sack gelassen: Es kostet eine Stange Geld. Man muss das abzahlen wie einen Kredit. Ich bin kein Sklave, der sich freikauft oder freikaufen lässt. Ja, ich sah das lockerer in Budapest. Da schien alles leicht, da gab es kein Problem, vor dem ich kapituliert hätte. Der Mief hier, die Unentschlossenheit, deine Eifersucht, das ist alles so lähmend. Die DDR ist irgendwie klebrig. Ist man draußen, wird alles leicht. Drin traut man sich einfach nichts mehr.
Du, aber ich trau mich jetzt, ich will jetzt auch raus!
Einfach über die Grenze? Du musst verrückt sein. Warum nicht gleich zum Mond, zum Mars, in eine andere Galaxis.
Bloß nachschauen, ob die Brücke noch da ist.
Es wird eine Fahrt ohne Wiederkehr. Von den beiden Freunden, die sich in dieselbe Frau verliebt hatten, bleibt nur einer am Leben. Wolfgang und Ulrike sterben beim Passieren der Zonengrenze, auf der ein großes HALT-Schild vor dem Weiterfahren warnt.
Viel, viel später, VOR DEN TRÜMMERN seines Lebens wird Siegfried Stufenhauer sich fragen, was seine Freundschaft mit Wolfgang Siebensohn zusammenhielt trotz der Belastungen, Krisen, Zerwürfnisse, von denen jedes eine Freundschaft hätte beenden können. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Table of Content
VORGESCHICHTE
I. Buch: Narzissen in Meißner Porzellan
1. Kapitel GESPENSTER
2. Kapitel RUINEN
3. Kapitel Der Hakelmann
4. Kapitel Mutter in Stiefeln
5. Kapitel SCHNACKI
6. Kapitel Freunde fürs Leben
7. Kapitel ZEITKINO
8. Kapitel STERNGUCKER
9. Kapitel GEHEIMNISSE
10. Kapitel SCHWINDEL
11. Kapitel Erste Liebesgrüße
12. Kapitel Gipfel mit Helden
13. Kapitel HAUSMUSIK
14. Kapitel Ein Frühlingstraum
15. Kapitel Eine Beurteilung
16. Kapitel Anziehende Erscheinungen
17. Kapitel SCHULFEEZ
18. Kapitel GLIMPFLICH?
19. Kapitel Kurvendiskussionen
20. Kapitel Sphärenklänge
21. Kapitel Sommer im April
22. Kapitel Gipfel im Nebel
23. Kapitel Mulus
24. Kapitel Epilog im August
II. Buch: SCHERBEN
1. Kapitel VEREHRER
2. Kapitel KRISEN
3. Kapitel SPIEGELFECHTEN
4. Kapitel KRAMEN
5. Kapitel TEESTUNDE
6. Kapitel KETTEN
7. Kapitel WARTEN
8. Kapitel Mondfinsternis
9. Kapitel Spiegelschrift
10. Kapitel UNGEZIEFER
11. Kapitel SPHÄRENREISE
12. Kapitel ZWEI HERREN
13. Kapitel GRENZFÄLLE
14. Kapitel Krebsverdacht
15. Kapitel Ein Traumberuf
16. Kapitel Sand in den Adern
17. Kapitel Abbruchviertel
18. Kapitel Der Stänker
19. Kapitel Die weiße Katze
20. Kapitel KINDERTAG
21. Kapitel STADTSOMMER
22. Kapitel Himmelwürmchen
23. Kapitel DANIEL
24. Kapitel WENDEMANÖVER
About the author
Volker Ebersbach ist am 6. September 1942 in Bernburg/Saale geboren und dort aufgewachsen. Nach Abitur und Schlosserlehre studierte er von 1961 bis 1966 Klassische Philologie und Germanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1967 promovierte er über den römischen Satiriker Titus Petronius. Danach lehrte er Deutsch als Fremdsprache ab 1967 in Leipzig, 1968 in Bagdad, 1971 bis 1974 an der Universität Budapest, wo er auch mit seiner Familie lebte.
Seit 1976 ist er freier Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber. Er schreibt Erzählungen und Romane, Kurzprosa, Gedichte, Essays, Kinderbücher, Biografien und Anekdoten. Er übersetzte aus dem Lateinischen ausgewählte Werke von Catull, Vergil, Ovid, Petronius, das Waltharilied, Janus Pannonius und Jan Kochanowski. Einzelne Werke wurden ins Slowenische und Koreanische übersetzt.
Von 1997 bis 2002 war er Stadtschreiber in Bernburg. Danach lehrte er bis 2004 an der Universität Leipzig.
Lion-Feuchtwanger-Preis, 1985
Stipendiat des Künstlerhauses Wiepersdorf und des Stuttgarter Schriftstellerhauses, 1993