Wolfert von Rahden & Andreas Urs Sommer 
Zeitschrift für Ideengeschichte Heft VII/1 Frühjahr 2013 [EPUB ebook] 
Namen

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Namen? – Nichts als «Schall und Rauch!» Fausts Worte zu Gretchen aber straft Rumpelstilzchen Lügen, dessen Macht zusammenbricht und der sich vor Wut «entzweireißt», als sein Name bekannt und genannt wird. Hier Goethe, dort die Brüder Grimm: Sie zeigen zwei Einschätzungen des Namens, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Hier die Auffassung, welche die Namen (wie die Sprachen und ihre Bedeutungen überhaupt) als bloß zufällig festgelegte Übereinkunft unter den Mitgliedern einer Sprachgemeinschaft erachtet – dort die Ansicht, dass dem Namen ein von der Natur oder Gott gegebener Wesenskern innewohne, der nicht zur beliebigen Disposition stehe, sondern untrennbar mit seinem Träger verbunden sei. «Buchstab – Zauberstab» (Eichendorff) lautete eine Grundidee sowohl in der deutschen Romantik wie in der jüdischen Kabbala. Das Benennen als ursprünglicher biblischer Akt verkörpert das Allermenschlichste, das Allergöttlichste: Im Alten Testament erscheint Adam als erster Namengeber. Der Mensch identifiziert die Welt im Akt des «Benamsens»: «Ha! du bist das Blökende!», lässt Herder den Menschen in seiner Sprachursprungsschrift ausrufen, «weiß, sanft, wollicht». Der «Schall des Blökens» als das unter- und entscheidende Merkmal wird zum «Namen des Schafs»: Schall und Hauch im Benennen markieren das Erkennen und Wiedererkennen. Aber nicht nur epistemisch, sondern auch machtanalytisch erweist sich der Name als ein tragender Grundpfeiler. In der Rede vom «Herrenrecht, Namen zu geben» (Nietzsche), spiegelt sich der Akt der Macht nicht nur im Sinne der Taufe, sondern auch im Sinne der Verfügungsgewalt, die allein schon dadurch entsteht, dass ein Zugriff auf Personen erfolgen kann (von Institutionen, Polizei, Steuerbehörden etc.), wenn sie durch Namen feststellbar sind. Die Autorität von «Rang und Namen» war und ist seit jeher nicht nur in aristokratischen Kreisen von hoher Bedeutsamkeit. Staatliche, juristische und klerikale Institutionen berufen sich legitimatorisch in rituellen performativen Akten auf höhere Instanzen, sei’s «im Namen des Volkes», sei’s «im Namen des Vaters …».
Künstler und Kämpfer hingegen suchen Reputationsgewinn durch Selbsttaufe (Pseudonym oder nom de guerre), und auch Herrschende jeglicher Couleur bedienten sich dieses Verfahrens. Neben die Überhöhung des eigenen Namens und genealogische Nobilitierung setzten sie als gegensätzliche Strategie die damnatio memoriae – die Anonymisierung, die Auslöschung des Namens der Gegner und Widersacher aus dem historischen und kulturellen Gedächtnis. In Zeiten einer transparenten, hell ausgeleuchteten Gesellschaft allerdings treten Namen in die Öffentlichkeit: Institutionen, Medien, Werbung, Social Networks, Internet – die Namen flottieren global und präsentieren sich vor aller Augen und Ohren. Rumpelstilzchen hätte heute wohl kaum eine Chance, seinen Namen zu verbergen. Als Ausweg bliebe ihm freilich, sich Fausts Worte zu eigen zu machen: Wo Namen nur Schall und Rauch sind, lässt es sich ebenso gut mit einem Pseudonym leben – zumindest im Internet hat Goethe gegen Grimm aufgeholt.

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关于作者

HEINZ BUDE geb. 1954, ist Professor für Soziologie in Kassel und leitet den Arbeitsbereich «Die Gesellschaft der Bundesrepublik» am Hamburger Institut für Sozialforschung. 2011 ist erschienen Bildungspanik. Was unsere Gesellschaft spaltet.
MORITZ FÖLLMER geb. 1971, ist Associate Professor of Modern History an der Universität Amsterdam. 2013 erscheint Individuality and Modernity in Berlin. Self and Society from Weimar to the Wall.
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WOLFERT VON RAHDEN ist an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Chefredakteur der Gegenworte. Zuletzt sind erschienen Theorien vom Ursprung der Sprache (Hg. u.a., 2 Bde., 1989, Reprint 2010) und Revolution und Evolution (Forum für interdisziplinäre Begriffsgeschichte, 2012).
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RÜDIGER ZILL geb. 1958, ist wissenschaftlicher Referent am Einstein Forum in Potsdam. 2011 erschien Metapherngeschichten. Perspektiven einer Theorie der Unbegrifflichkeit (Hg. u.a.).

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语言 德语 ● 格式 EPUB ● 网页 128 ● ISBN 9783406649882 ● 文件大小 4.1 MB ● 编辑 Wolfert von Rahden & Andreas Urs Sommer ● 出版者 C.H.Beck ● 市 München ● 国家 DE ● 发布时间 2013 ● 版 1 ● 下载 24 个月 ● 货币 EUR ● ID 2614971 ● 复制保护 社会DRM

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