Wolfgang Born (1893-1949), Halbbruder des Physikers und Nobelpreisträgers Max Born, war als Künstler, Kunsthistoriker und Kunstkritiker in München und Wien tätig, bevor er nach Amerika emigrierte. Der Briefwechsel mit Thomas Mann dreht sich um eine bislang unbekannte frühe Serie von Aquarellen (1916) als Vorläufer der Lithographienmappe Der Tod in Venedig (1921), zu der Thomas Mann einen Brief beisteuerte, und setzt sich im jeweiligen Exil zwischen Wien, Zürich und Amerika fort. Höhepunkt ist Borns Zuruf 1936, Deutschland sei dort, wo Thomas Mann sei. Thomas Manns berühmte Sentenz »Where I am, there is Germany« (Wo ich bin, ist Deutschland), die seine Ankunft in Amerika 1938 akzentuiert, ist somit ein aus deutsch-jüdischer Kulturtradition kommender Aufruf zum Widerstand gegen das NS-Regime in Deutschland.
Nach einem parallelen Studium der Kunst (an der Münchner Akademie) und Kunstgeschichte (bei Heinrich Wölfflin) porträtierte Born in den Zwanziger Jahren zahlreiche Größen seiner Zeit, neben Heinrich und Thomas Mann u.a. Albert Einstein, Sigmund Freud, Alfred Kerr und Richard Strauß. In Wien promovierte Born bei Josef Stryzgowski und versuchte 1933, Oskar Kokoschka als Illustrator für Thomas Manns Joseph-Roman Die Geschichten Jaakobs zu gewinnen. Zahllose Artikel in Kunstzeitschriften und Wiener Tageszeitungen sicherten ihm den Lebensunterhalt; sie werden erstmals ebenso bibliographisch erfasst wie die vielen in Amerika entstandenen Artikel zur Kunst und Volkskunde. Seiner dortigen prekären Lebenssituation trotzte Born zwei Standardwerke ab, Still-life in America. (1947) und American landscape painting (1948). Oskar Kokoschkas Auftrag vom Februar 1949, Born solle das maßgebliche Buch über seine Graphik schreiben, vereitelte Borns plötzlicher Tod im Juni 1949.
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Dr. Dirk Heißerer (Jg. 1957) ist Literaturwissenschaftler und Herausgeber der Thomas-Mann-Schriftenreihe.