Michael Emmendörffer untersucht die Priesterschrift und zeigt, wie diese nach der Katastrophe von 587 v.Chr. unter veränderten politischen, sozialen und religiösen Rahmenbedingungen die Gegenwart und Nähe Gottes wieder neu begründet und in wesentliche, hermeneutische Schlüsseltexte (Schöpfung; Sintflut; Abraham und Exodus) einschreibt. Emmendörffer zeichnet die relecture älterer Gründungsmythen und die Transformationsprozesse detailliert nach. Der Autor berücksichtigt dabei analoge Gotteskonzeptionen in den Kulturen Ägyptens und Mesopotamiens, die der Arbeit eine besondere religions- und theologiegeschichtliche Tiefe verleihen. Betrachtungen zeitgenössischer Konzeptionen des Ezechielbuches und Jes 40–55* fließen ebenfalls in die Arbeit ein. Michael Emmendörffer leistet damit insgesamt nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Theologie der Priesterschrift und zur strittigen Frage nach ihrer literarischen Beschaffenheit und Integrität, sondern bezeichnet mit der paradigmatischen Frage, wie die Gegenwart Gottes angesichts existenzieller Krisenerfahrungen gedacht werden kann – eine für Theologie und Kirche bleibend aktuelle Herausforderung, deren Bearbeitung bereits in der biblischen Traditionsbildung selbst beobachtet werden kann. Die dort gegebenen Antworten tragen deutlich das Gepräge ihrer Zeit, aber sie schärfen das Bewusstsein für die hermeneutische Aufgabe, von der Gegenwart und Nähe Gottes beim Menschen immer wieder neu zu reden.
عن المؤلف
Dr. Michael Emmendörffer ist Studienleiter im Evangelischen Studienhaus Göttingen und Dozent für Bibelkunde im AT und NT an der Universität Göttingen sowie Privatdozent an der Augustana/Neuendettelsau.