Der Schriftsteller und bildende Künstler Wolfgang Hildesheimer (1916-1991) erschien in der deutschen Nachkriegsliteratur, so heißt es im Spiegel-Nachruf, ‘wie ein Sonntagskind’: ‘Frei von der sehr deutschen Bedrückung, Zerknirschtheit und Provinzialität, die im Freundeskreis der ‘Gruppe 47′ vorherrschten’, erzählte er in den Lieblosen Legenden (1952) ‘weltläufig, gebildet, mit geradezu musikalischer Eleganz […] von Hochstaplern oder Fälschern, die den wichtigtuerischen abendländischen Kulturbetrieb ad absurdum führen.’ Auf die satirischen Erzählungen folgten Dramen, die ihn zum wichtigsten Vertreter des absurden Theaters in deutscher Sprache machten. Nach seiner Übersiedlung ins Puschlav in der italienischsprachigen Schweiz wurde er mit den Monologen Tynset (1965) und Masante (1973) zum großen Erzähler; die Texte waren nicht nur erzählerisch innovativ, sie zeigten nun unübersehbar, wie sehr Hildesheimer bei allem Witz und aller Phantasie ein politischer Autor war.
Das vorliegende treibhaus zeigt den frühen Wolfgang Hildesheimer und seine ungewöhnliche Positionierung im Literaturbetrieb der Nachkriegszeit; es würdigt sein Werk quer durch die Gattungen, seine Monologe, den Roman, Hörspiele, Dramen und Romane – seine Gedanken zur Musik und den bildenden Künstler.
قائمة المحتويات
– Editorial
– Wolfgang Hildesheimers Briefwechsel mit Hermann Kesten. Mit einer Vorbemerkung von Stephan Braese
– Volker Jehle: Festspiele, Festreden, Festschriften
– Christoph Willmitzer: Geschütztes Sprechen. Wolfgang Hildesheimers Korrespondenz zu Fragen von Judentum und Antisemitismus
im Nachlass des Suhrkamp Verlags
– Jennifer Bigelow: ‘Nicht nur Grauen also’ – Wolfgang Hildesheimers Poetik des Absurden und die Narrative der Gruppe 47
– Yvonne Hütter: Einflussverweigerung! Künstler und Intellektuelle zwischen Macht und Lethargie in Hildesheimers Lieblosen Legenden
oder: ‘Warum ich mich in eine Nachtigall verwandelt habe’
– Max Wimmer: Wolfgang Hildesheimer als (neo)fantastischer Erzähler. Die Lieblosen Legenden, das ‘Absurde’ und die Poetik
der Neofantastik
– Natalie Moser: Das Regime der Fälschungen. Zu Wolfgang Hildesheimers Paradies der falschen Vögel
– Heinz Puknus: Weltabwehr und Selbstisolation. Hildesheimers Monologe der 1960er Jahre
– Thomas Keith: Der Mann ohne Möglichkeiten? Erzählbewegungen in Wolfgang Hildesheimers Tynset
– Alexis Radisoglou: ‘Ist der Schreibtisch vielleicht der Ort der Gespenster?’ Hantologie, Erinnerung und Alterität in Wolfgang Hildesheimers Tynset und W. G. Sebalds Austerlitz
– Eva-Maria Lenz: Hildesheimers Hörspiele der fünfziger Jahre
– Lorenzo Licciardi: Zeitparadoxe und das ‘Schweigen der Welt’:Deklinationen des Absurden im Theater Wolfgang Hildesheimers
– Michael Buhl: Hildesheimers Hinwendung zum absurden Theater und der Metadiskurs über Kunst
– Hilde Strobl: Rezeption als Selbstreflexion – Wolfgang Hildesheimer und Albrecht Dürer
– Michael Hieronymus Schmidt: Die Liebe zur Geometrie oder ‘Ich muß daher mit Millimetern rechnen’. Wolfgang Hildesheimers
frühe Rasterpapier-Collagen
– Michael Bastian Weiß: Das Subjekt-Objekt ‘Musik’. Prolegomena zu einer Musikphilosophie nach Wolfgang Hildesheimer
– Die Beiträgerinnen und Beiträger
– Adressen der Beiträgerinnen und Beiträger
– Personenregister
عن المؤلف
Günter Häntzschel ist em. Professor für neuere deutsche Literaturwissenschaft, LMU München. Bücher u. a. über J. H. Voß, G. A. Bürger, Annette von Droste Hülshoff, Wolfgang Koeppen, Sozialgeschichte der Lyrik des 19. Jahrhunderts.
Sven Hanuschek ist Germanist, Publizist und lehrt Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der LMU München. Bücher u. a. über Heinar Kipphardt, Uwe Johnson, Erich Kästner, Elias Canetti, über Heinrich Heines Lyrik und Laurel & Hardy.
Ulrike Leuschner, Editionsphilologin an der Forschungsstelle Merck der TU Darmstadt. Publikationen zur Literatur des 18. – 20. Jahrhunderts, Herausgeberin des ‘Briefwechsels’ und der ‘Gesammelten Schriften’ von J. H. Merck.