Historische Stätten haben und machen in Deutschland Konjunktur, wobei der Anteil privater Angebote steigt. Sybille Frank bietet mit ihrem der angloamerikanischen Forschungsdebatte entlehnten Heritage-Konzept erstmalig ein Instrumentarium zur Analyse des derzeitigen Geschichtsstättenbooms. Die Autorin erprobt ihr Konzept am Beispiel des Berliner Checkpoint Charlie. Aufgrund mangelnder öffentlicher Erinnerungsangebote einerseits und anhaltender touristischer Nachfrage nach Zeugnissen der Mauer andererseits wurde der zunächst demontierte Alliierten-Kontrollpunkt in den letzten Jahren von konkurrierenden öffentlichen und privaten Anbietern in spektakulären Einzelaktionen rekonstruiert. Sein Beispiel zeigt, so das Fazit, die Entstehung einer Heritage-Industrie abseits geregelter Verfahren. Damit lässt der Berliner Senat ein enormes stadtentwicklungspolitisches Potenzial ungenutzt.
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Inhalt
Danksagung
Einleitung: Heritage als unentdecktes Forschungsfeld
I Theoretische Grundlagen: die angloamerikanische Heritage-Debatte
1. Wie es begann: die Debatte um die britische Heritage-Industrie
1.1 Im Anfang war das Wort: der Heritage-Boom im Großbritannien der siebziger Jahre
1.2 Die marxistischen Kritiker: Heritage als Entropie
1.3 Die Befürworter: Heritage als Katalysatorin sozialen Wandels
1.4 Der Vermittler: David Lowenthals Vorschlag einer formalen Definition von ›History‹ und ›Heritage‹
1.5 Zusammenfassung der Debatte um die britische Heritage-Industrie: Heritage ohne Soziologie?
2. Internationale Bezüge: Heritage als globales Feld soziokultureller Praxis
2.1 Heritage als globales Feld touristischer Praxis und des Konsums von Zeichen
2.2 Kulturwissenschaftliche Ansätze: Heritage als Medium interkultureller Verständigung
2.3 Heritage-Industrie reloaded: Heritage als ökonomisiertes Medium der lokalen Austragung kultureller Dissonanz
2.4 Zusammenfassung der internationalen Debatte: ‘Enter the Matrix!’
2.5 Abschließende Begriffsbestimmungen: ›Heritage‹ und ›Heritage-Industrie‹
II Empirische Anwendung: der Streit um den Berliner Checkpoint Charlie
3. Vom Checkpoint zum ‘Scheckpoint’: Einführung in die Geschichte des und die Akteure am Checkpoint Charlie
3.1 Zur weltweiten Berühmtheit des Checkpoint Charlie
3.2 Berlin im Umbruch: neue städtische Leitbilder und Politikformen
3.3 Die Entwicklung des Checkpoint Charlie nach dem Fall der Mauer
4. Erster Konflikt: vom Checkpoint zum ‘Zoffpoint’
4.1 ‘Berliner Provinzposse’: verkleidete Schauspiel-studierende am Checkpoint Charlie
4.2 Räumliche Gestalt: der Checkpoint Charlie als paradigmatische Heritage-Stätte
4.3 Der Checkpoint Charlie als außergewöhnliche Heritage-Stätte
4.4 Fazit: die Konstruktion des Checkpoint Charlie als Opfer-Ort
5. Zweiter Konflikt: vom Checkpoint zum ‘Schreckpoint’
5.1 Die Eröffnung einer privaten Maueropfer- Gedenkstätte durch das Mauermuseum
5.2 Diskurse: ‘Wie gedenkt man der Mauer – lieber authentisch oder mit Gemüt?’
5.3 Fazit: Geschichtsrepräsentationen im Wettstreit (History vs. Heritage)
6. Der Checkpoint Charlie als Opfer-Ort und die Unmöglichkeit, von Disney zu lernen
6.1 Risiken und Nebenwirkungen von Opfer-Orten: ein Forschungsüberblick zum Thema dark tourism
6.2 ‘Die Wirkung des Objekts ist absolut schädlich’: Trivialisierung von Gedenken am Checkpoint Charlie durch Kommerzialisierung
6.3 Fazit: Heritage-Dissonanz durch die Produktion von Orten
7. Disneyfizierung als Vorwurf mangelnder Authentizität und als kultureller Kampfbegriff
7.1 Suchen Heritage-Touristen nach Authentizität, und wenn ja, was ist das? – ein Forschungsüberblick zum Thema ›Authentizität‹
7.2 Der Checkpoint Charlie als disneyfizierter Ort: eine Einordnung in die Forschungsliteratur
7.3 Fazit: Heritage-Dissonanz durch Vielfachproduktion (Orte des Geschehens vs. Orte internationaler Aufmerksamkeit)
8. Vom ‘Nachbarschaftsstreit’ zur ‘Hauptstadtposse’: Fallstricke und Schlupflöcher politischer Steuerung
8.1 Ebenenkonflikte: die Herausforderung, ‘Kiez mit Weltgeschichte in Übereinstimmung zu bringen’
8.2 Öffentliche Gegenmodelle zum privaten Mauergedenken
8.3 Finale: von der ‘gefälschten Mauer’ zur ‘Klagemauer’
8.4 Die Eröffnung der Checkpoint Gallery: der Bauzaun als Manifest
Schlussbetrachtung: die Formation der Heritage- Industrie am Berliner Checkpoint Charlie
Literatur
عن المؤلف
Sybille Frank, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsschwerpunkt »Eigenlogik der Städte« der TU Darmstadt.