Stichworte wie ‚Vergangenheitsbewältigung‘ oder ‚Erinnerungskultur‘ waren nicht nur konstitutiv, sondern lange Zeit auch prägend für das Selbstverständnis der Politischen Bildung in Deutschland nach 1945. Gerade im Zusammenhang mit den sich häufenden Erinnerungsjahren stellt sich deshalb die Frage, in wie weit Adornos berühmte Formel einer ‚Erziehung nach Auschwitz‘ und seine pädagogische Prämisse und Forderung, ‚dass Auschwitz nicht noch einmal sei‘, heute noch von zentraler Bedeutung für Politische Bildung ist oder sein sollte. Diese Frage ist nicht zu trennen von aktuellen Forderungen, eine historisch-politische Bildung zu entwickeln, die auch den nachfolgenden Generationen und jungen Migranten/innen gerecht werden kann. Weitere aktuelle Herausforderungen für eine zeitgemäße ‚Politische Bildung nach Auschwitz‘ sind der wachsende Rechtsextremismus und die Frage nach einer Europäisierung von Erinnerung. Siebzig Jahre nach der Befreiung des KZ Auschwitz knüpft die non-formale Politische Bildung mit der Beteiligung an diesen Debatten an ihre normativ aufklärerischen Traditionen an. Der Band liefert einen wichtigen Beitrag zum Diskurs über Ziele, Aufgaben und Selbstverständnis der Politischen Bildung, der über die oft selbst gesetzten, engen Grenzen von schulischer Politikdidaktik und außerschulischer Politischer Bildung hinaus reicht und Erinnerungspädagogik als gemeinsame Aufgabe in den Blick nimmt.
Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung ‚Erinnerung, Verantwortung und Zukunft‘
Inhaltsverzeichnis
Gerd Steffens/Benedikt Widmaier
Politische Bildung nach Auschwitz und die Erinnerungskultur heute.
Zur Einführung
Politische Bildung nach Auschwitz
Wolfgang Meseth
Erziehung nach Auschwitz 2.0. Erziehungswissenschaftliche Betrachtungen, empirische Befunde und bildungstheoretische Implikationen
Thomas Koinzer
Die Schule als Ort der Demokratie erfahren. Adorno, Horkheimer und die German Educators‘ Mission als Beitrag zur Erziehung nach Auschwitz
Astrid Messerschmidt
Erinnerung als Kritik. Politische Bildung in Gegenwartsbeziehungen zum Nationalsozialismus
Karl Christoph Lingelbach
Urteilskompetenz erwerben und ‚Emanzipation‘ fördern. Auffassungen über Politische Bildung in den späten 60er- und frühen 70er-Jahre
Erinnerung im gesellschaftlichen Wandel
Norbert Reichling
Soziale Bewegungen, Zivilgesellschaft und Geschichtskultur
Elke Gryglewski
Erinnerungspädagogik in der Migrationsgesellschaft
Erinnerung in Gedenkstätten
Manfred Wittmeier
Revision der Gedenkstättenarbeit?
Sylvia Heitz/Helmut Rook
Der Gedenkstättenbesuch im historisch-politischen Unterricht. Erinnerung als Prävention gegen Rechtsextremismus
Doris Katheder
Nationalsozialismus in Nürnberg. Erinnerungsarbeit und Extremismusprävention
Sebastian Fischer
Erinnerungspädagogik und Rechtsextremismus
Klaus-Peter Hufer
Argumente gegen Stammtischparolen. Eine Methode historisch-politischer Bildung zur Prävention gegen Rechtsextremismus?
Erinnerung als europäisches Projekt
Benedikt Widmaier
Europäisierung der Erinnerungsarbeit
Gerd Steffens
Europäisierung der Erinnerungspädagogik am Beispiel Deutschland, Polen und Spanien
Über den Autor
Benedikt Widmaier ist Politikwissenschaftler und Direktor der Akademie für politische und soziale Bildung ‚Haus am Maiberg‘. Er ist Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke (AKSB) und der Deutschen Vereinigung für politische Bildung (DVPB) sowie Mitglied der Redaktion des ‚Journals für Politische Bildung‘.
Gerd Steffens, Dr.phil., ist Professor für Didaktik der Sozialkunde am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel