INDES 2/2014 widmet sich im Schwerpunkt den »Tabus«. Der Tabu-Begriff ist denkbar schwammig und breit. Grundsätzlich lässt sich nahezu alles und jedes tabuisieren. Tabus können Personen, Lebewesen, Dinge oder irgendeine mit Glaubensvorstellungen behaftete Örtlichkeit sein. Einerseits stabilisieren Tabus die Bezugssysteme von Menschen und das gesellschaftliche Machtgefüge, indem sie Korridore des Erlaubten markieren und bestimmte Gedanken, Äußerungen und Handlungen sanktionieren. Tabus sind mithin Bestandteile einer funktionierenden menschlichen Gesellschaft. Zudem beeinflussen sie auch aktiv die sozialen Strukturen, etwa indem sie den Wenigen, die über die Einhaltung der Tabus wachen, enormen Einfluss zuschanzen. Andererseits verlieren Tabus ihre Funktion als Stabilisatoren der bestehenden Zustände in dem Moment, da sich Tabubrüche häufen und Übertretungen allgemein üblich werden. Dann beschleunigt das apodiktische Festhalten an überkommenen und offenkundig überständig gewordenen Tabus ihren Legitimitätsverlust noch zusätzlich. Bedenkenswert ist ebenfalls, dass Tabus stets auch ihre Verneinung fördern, dass sie also nicht nur den Resonanzkörper für provokative Tabubrüche darstellen, sondern auch die Person des Tabubrechers überhaupt erst hervorbringen.
Über den Autor
Dr. Teresa Nentwig ist Politikwissenschaftlerin. Sie war von Oktober 2008 bis Dezember 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Demokratieforschung der Georg-August-Universität Göttingen, wo sie das Buch über Helmut Kentler verfasst hat. Seit Dezember 2020 ist sie wissenschaftliche Referentin beim Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg in Stuttgart.