Temporalität ist eine der grundlegenden Herausforderungen der Forschung, die im Fluss der Zeit Dinge erkennen, definieren und systematisieren möchte. Für die Forschung wird der Ereignisstrom selektiv still gestellt. Damit verschwindet, mit Bourdieu gesprochen, die Dringlichkeit der Praxis. Mit diesem Herausheben und Festhalten von Ereignissen – selbst dann, wenn diese als Prozesse gedacht sind – agiert Forschung als Gegengift zum Zahn der Zeit, bleibt aber selbst auf vielfältige Weise in temporale Strukturen und Abläufe verstrickt, die ihre Erkenntnismöglichkeiten moderieren. Der vorliegende Band nimmt sich des Zusammenhangs von Zeitlichkeit, Forschung und Method(ologi)en an und buchstabiert ihn anhand gedächtnissoziologischer Konzepte und Figuren aus.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung.- Vergangenheitsbezüge und zeitliche Abläufe in sozialwissenschaftlicher Forschung. Methodologische Überlegungen aus gedächtnissoziologischer Perspektive .- Die Erfassung von Zeitlichkeit in Panel-, Ereignis- und Sequenzanalysen.- Welche Erkenntnis vermögen Umfragedaten über kollektives Gedächtnis und kollektive Erinnerung zu vermitteln?.- Historische Ethnographie und Longue Durée. Methodologische Implikationen der Triangulation prozessproduzierter Daten.- Längsschnittdesigns für qualitative Interviews und ihr analytisches Potential .- Weder Text noch Interaktion: das Interview als Sinnproblem .- Prozesse des Erinnerns in Krisenzeiten – Online-Nachinterviews als biographische Methode .- Methodologische Positionen in der Biographieforschung aus gedächtnissoziologischer Perspektive .- Die Zeit der qualitativen Videoanalyse. Überlegungen zur Temporalität am Beispiel eines IS-Propagandavideos .- Zurück in die Zukunft und vorwärts in die Vergangenheit – zur Rekonstruktion organisationaler Gedächtnispraktiken mit der dokumentarischen Methode.- Das Temporalitätsproblem im Umfeld hermeneutischer Sequenzanalysen .- Die dreifache Prozessualität des Körpergedächtnisses: Methodologische Implikationen von Forschungen zu verkörperten Erinnerungen und Wissensformen.- Selektion und Zeit: Konturen archivbasierter Forschung in der Soziologie.
Über den Autor
Gerd Sebald ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg.
Oliver Dimbath ist Professor für Soziologische Theorie an der Universität Koblenz.
Hanna Haag ist Wissenschaftlerin und Koordinatorin am Gender- und Frauenforschungszentrum der Hessischen Hochschulen (g FFZ) in Frankfurt am Main.
Michael Heinlein ist Wissenschaftler am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. – ISF München.