Provokative Drastik, Massenmedien- und Konsumbezug, Sex- und Gewaltdarstellungen sowie nicht zuletzt die experimentelle Strapazierung des Buchmediums zielen auf nicht weniger als eine ‚Revolution der Wahrnehmung‘.
Die Literatur der ‚Neuen Sensibilität‘ (circa 1965–1975) ist bis heute weitgehend terra incognita der deutschsprachigen Literaturgeschichte geblieben. Sie wird von einer nur lose integrierten intellektuellen Formation getragen, die sich teils explizit, teils implizit auf die aus den USA importierten begrifflichen Einsätze von Susan Sontag, Tom Wolfe, Leslie A. Fiedler, Herbert Marcuse u. a. bezieht. In den Werken von seinerzeit jungen Autorinnen und Autoren wie Elfriede Jelinek, Rolf Dieter Brinkmann, Renate Matthaei, Peter Handke, Renate Rasp, Hubert Fichte, Barbara Frischmuth, Gerhard Zwerenz oder Helga M. Novak wird die Agenda der Neuen Sensibilität fassbar: Provokative Drastik, Massenmedien- und Konsumbezug, Sex- und Gewaltdarstellungen sowie nicht zuletzt die experimentelle Strapazierung des Buchmediums zielen auf nicht weniger als auf eine ‚Revolution der Wahrnehmung‘. Sie hat die Gatekeeper in Literaturkritik und Literaturwissenschaft unter erheblichen Abwehrstress gesetzt. Gegenüber der literarischen Tradition und bewährten literaturkritischen Usancen setzt die Neue Sensibilität auf radikale Diskontinuierung: Sie forciert die Geste des ‚einfach Anfangens‘ (Brinkmann) und eines die populäre Kultur strikt integrierenden Bezugs auf die Gegenwart.
Inhaltsverzeichnis
Jörgen Schäfer / Georg Stanitzek
Die Neue Sensibilität: Thesen
Jörgen Schäfer
‚Weil die Revolution der Sensibilität der des Ausdrucks davonläuft‘.
Leslie Fiedler, die Neuen Mutanten und die deutschsprachige Literatur 1968 ff.
Roberto Di Bella
‚Kunst schreitet nicht fort, sie erweitert sich‘.
Rolf Dieter Brinkmann und die Einübung einer neuen Sensibilität
Marie Sophie Beckmann
Den Untergrund durchblättern.
Ein Rückblick auf die Kölner Underground-Filminitiative XSCREEN (1968–1971)
Anna Estermann
Professionell sensibel?
Peter Handkes ‚Fundstücke‘ in Deutsche Gedichte und Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt
Daniela Gretz
Die Palette.
Hubert Fichtes Neue Sensibilität und ihre intermedialen Erlebnisweisen
Christine Weder
Ein ‚Frauenroman‘ der Neuen Sensibilität.
Gerhard Zwerenz‘ Erbarmen mit den Männern (1968)
Ursula Geitner
Die Klosterschule als ‚Objekt‘.
Zur Poetologie der Neuen Sensibilität
Isabella Greiner
Meine eigene Figur / wie sie sich bewegt.
Körperbilder und Geschlechterrollen in Renate Rasps Gedichtband Eine Rennstrecke
Lena Hintze
Ein Experiment der Neuen Sensibilität.
Textgestalt und Buchmaterialität von Elfriede Jelineks wir sind lockvögel baby!
Ana de Almeida & Christian Wimplinger
Kooperation und Empfindung.
Helga M. Novaks politische Prosa der Neuen Sensibilität
Georg Stanitzek
Anfänge.
Die Gegenwartsliteratur in Renate Matthaeis Grenzverschiebung von 1970
Beiträgerinnen und Beiträger
Über den Autor
Jörgen Schäfer ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Germanistischen Seminar der Universität Siegen; Georg Stanitzek ist dort eine Art Senior Professor für Germanistik und Allgemeine Literaturwissenschaft. Gemeinsam leiten beide das Teilprojekt ‚Pop, Literatur und Neue Sensibilität: Theorien, Schreibweisen, Experimente‘ im Sonderforschungsbereich 1472 ‚Transformationen des Populären‘.
Georg Stanitzek ist am Germanistischen Seminar der Universität Siegen eine Art Senior Professor für Germanistik und Allgemeine Literaturwissenschaft. Gemeinsam mit Jörgen Schäfer leitet er Teilprojekt ‚Pop, Literatur und Neue Sensibilität: Theorien, Schreibweisen, Experimente‘ im Sonderforschungsbereich 1472 ‚Transformationen des Populären‘.