Schlesien bildete nicht nur mit Blick auf Politik und Gesellschaft, sondern auch hinsichtlich seiner spezifischen religiösen Struktur während der Frühen Neuzeit eine wichtige Brückenlandschaft in Ostmitteleuropa. Dies lässt sich an grenzübergreifenden Kontakten erkennen, an Eheverbindungen sowie an den Ausbildungswegen der Theologen. Nicht nur im humanistisch-gelehrten Umfeld der Metropole Breslau, auch im Bereich der einzelnen Territorialherrschaften und regionalen Stadtzentren des Oderlandes sind reformierte Einflüsse seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nachweisbar. Die kleinräumige Territorialorganisation Schlesiens mit zahlreichen semisouveränen Fürsten, die Schwäche der katholischen Kirchenorganisation und das Fehlen personeller und finanzieller Ressourcen des katholischen Oberherrn ermöglichten Freiräume, die der Ausbreitung reformierter Vorstellungen zugutekamen. Über die innerschlesischen Entwicklungen hinaus nimmt der vorliegende Sammelband, der die Ergebnisse einer internationalen und interdisziplinären Tagung in Polen dokumentiert, auch die Außenbeziehungen der schlesischen Reformierten in den Blick, die sich aus Studienkontakten, dynastischen Beziehungen und Folgen eines seit der Reformation verdichtenden Wissens- und Ideentransfers ergaben. Der Band zeigt neue Forschungsperspektiven auf, um landeseigene wie sachliche und zeitliche Spezifika eines schlesischen Reformiertentums vom 16. bis zum 19. Jahrhundert herauszuarbeiten.
Circa l’autore
Prof. Dr. Joachim Bahlcke ist Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Stuttgart.