Die Ökonomisierung erfasst den menschlichen Körper, er wird zur Ware. Am deutlichsten ist das in der modernen Medizin. Sie braucht den Körper als Ressource, ob in der Stammzellforschung oder der Organtransplantation. So wird der menschliche Körper und werden seine Teile zum Handelsgut. Das war der Körper im historischen Umbruch zur Moderne schon einmal: Der ganz Europa erfassende Reliquienhandel machte menschliche Körperteile zum begehrtesten Handelsgut – und zum Heilsgut. Mit dieser Vorgeschichte wird auf einen Schlag sichtbar, dass der Griff nach dem menschlichen Körper keine ökonomische Landnahme ist: Waren-Gesellschaft und moderne Medizin verbindet mehr, als sie an ihrer Oberfläche zu erkennen geben. Der für die Psychoanalyse Freuds und für die Theorie Marx’ so zentrale Begriff des Fetischismus wirft ein Licht auf den »theologischen Glutkern« (Adorno) von kapitalistischem Markt und moderner Medizin. Die »untergründige Geschichte des Körpers« (Horkheimer/Adorno) ist an zentraler Position in einer Dialektik der Aufklärung.
Tabella dei contenuti
Vorwort 9 Kapitel I: Zur Sozialpsychologie der Medizin 13 Kommodifikation – Der menschliche Körper als Rohstoff und Handelsware 16 Das Zeitalter der Organtransplantation 22 Knappe Ressourcen 27 Das Geschenk des Lebens 32 Psychische Reaktion auf eine soziale Praxis 38 Mangel und Ersatz 39 Vom Geben und Nehmen 45 Das Gesetz des Marktes 52 Für und Wider einer Marktlösung 52 Praxis des Organhandels 60 Sozialpsychologie und Medizin 64 »Sociology in Medicine« oder »Sociology of Medicine« 66 Die »Wurzelgründe« der modernen Medizin 75 Kapitel II: Beinverpflanzungswunder und Reliquienverehrung 92 Die Heiligen Cosmas und Damian – Ihre Überlieferungs- und Wirkungsgeschichte 97 Vom göttlichen Zwilling zum heiligen Bruderpaar 98 Die wundersame Beinverpflanzung 103 Vom Wunder zum Mitwirkungswunder 106 Verehrte Körper 107 Gehandelte Körper 113 Ausnahmemensch und Fremdkörper 122 Erwähltheit und Akkumulation 130 Eucharistiefeier und der Leib des Herrn 131 Gnadenversicherung und Erwähltheit 135 Der »Glutkern« 140 Kapitel III: Fetischismus – Heilsgut, Ware, Körper 144 Fremde Körper – Gegen Unvernunft, Mohren und Katholiken 148 Boßmanns Reise nach Guinea 148 De Brosses’ Abhandlung über die Religion Nigritiens 156 Göttliche Körper – Entfremdung und Idolatrie 163 Facticius – Handelsware und bearbeitete Natur 163 Fetischismus – Fremdes und verdrängtes Eigenes 172 Fetischdienste und Reliquiare 175 Handelskörper – Entfremdung und Fetischismus 186 Der Warenfetisch 187 Die Substanz der Ware – corpus facticium: Vergötzung des Körpers und Bearbeitung der Natur 194 Schatzbildung und Priesterbetrug 204 Traum und Rausch 212 Mangelhafte Körper – Entfremdung und Perversion 221 Narzisstische Plombe 228 Illusion 248 Opfer und Körper, Tausch und Versöhnung 253 Kapitel IV: Der Warenkörper 266 Anmerkungen 276 Literatur 293 Dank 320
Circa l’autore
Oliver Decker, Jahrgang 1968, studierte Psychologie, Soziologie und Philosophie. Nach seinem Abschluss zum Diplom-Psychologen promovierte er 2003 an der Universität Kassel zum Doktor der Philosophie und habilitierte sich 2010 an der Universität Hannover in Sozialpsychologie. Er ist u.a. seit 2013 Vorstandssprecher des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung an der Universität Leipzig und seit 2002 Mitherausgeber der »Mitte-Studien« zum Rechtsextremismus in Deutschland. Er veröffentlichte bei zu Klampen »Der Warenkörper« (2011), »Vom KZ zum Eigenheim« (2016) und »Der Berlin-Monitor« (2019).