Am 15. November 1946 erschien dieser Brief Thomas Mann in der kommunistisch kontrollierten Zeitschrift The German American. Mann hatte ihn verfasst, nachdem er in der Ausgabe vom 15. Oktober auf einen Artikel aufmerksam geworden war, der Zitate aus seinem Roman ›Lotte in Weimar‹ nicht nur verwendete, sondern sie gar als Originalzitate Goethes auswies. Eine kuriose Vorgeschichte hatte zu diesem Missverständnis geführt: Nachdem ›Lotte in Weimar‹ 1939 in Stockholm erschienen war, gelangten einige Exemplare davon auch nach Deutschland, wo Aktivisten Flugblätter daraus erstellten – offenbar kam es dabei zu der inkorrekten Betitelung. Nachdem der britische Hauptankläger im Nürnberger Prozess, Hartley Shawcross, im August 1946 in einer Rede aus diesen Blättern zitierte, ebenfalls in dem Glauben, es handele sich um Goethe-Zitate, zog die Angelegenheit weitere Kreis und wurde schließlich aufgeklärt. Mann fühlte sich jedoch nicht wenig geschmeichelt und formuliert in seiner Adresse an die Herausgeber von The German American eine bemerkenswerte Relativierung: Er stehe dafür ein, »dass Goethe alles, was er in meinem Roman denke und sage, sehr wohl in Wirklichkeit habe denken und sagen können«.
Circa l’autore
Thomas Mann, 1875–1955, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Ab 1933 lebte er im Exil, zuerst in der Schweiz, dann in den USA. Erst 1952 kehrte Mann nach Europa zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb.