Die Geschichte der Neuzeit ist eine Geschichte des Rassismus. Dies zeigt sich von den ersten Entdeckungsreisen über fünf Jahrhunderte des Kolonialismus bis in unsere globalisierte Gegenwart; von Jahrhunderten der Sklaverei über Systeme der Apartheid bis hin zu globalen Arbeitsordnungen; von den ersten Eroberungskriegen bis zu den Genoziden der Moderne: Alle diese historischen Bewegungen korrespondieren mit Grenzziehungen, mit Einteilungen von Menschen in Gruppen und Kategorien.
Ihre Wirkmächtigkeit erhalten Rassismen und Rassenkonzepte insbesondere auch durch ihre enge Bindung an den Sex: An Vorstellungen spezifischer sexueller Wesenhaftigkeiten verschiedener Menschen und ihrer sexuellen Praktiken, an das vielfältige Sprechen über den Sex in der Moderne sowie an Konzepte der Vererbung besagter Wesenhaftigkeiten. 'Rasse’ konnte in der Geschichte der Neuzeit erst durch ihre Bindung an Sex und Sex erst durch seine Bindung an 'Rasse’ eine solche Wirkmacht entfalten.
Westliche, neuzeitliche Gesellschaften sind getrieben von der Obsession zu vergleichen und zu unterscheiden, zu differenzieren und zu hierarchisieren. Ein Denken, das die grenzziehende Wucht von race & sex in der Geschichte ebenso wie die endlosen Grenzüberschreitungen und Verschiebungen in den Blick nimmt, trägt dazu bei, Grenzen jeglicher Art ihrer Evidenz zu berauben und deren Historizität aufzuzeigen. Dieses Denken wird so selbst eine Praxis der Grenzüberschreitung und -auflösung.
Zu diesem Zweck wurden für dieses Buch 50 internationale Expertinnen und Experten aus den Geschichts-, Kultur- und Sozialwissenschaften eingeladen, jeweils einen historischen Schlüsseltext zu race & sex einer Re-Lektüre zu unterziehen. Diese Texte reichen von Erzählungen über Begegnungen mit amerikanischen Indigenen aus dem 17. Jahrhundert über deutsche Kolonialzeitschriften des 19. und 20. Jahrhunderts bis zu Texten der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart. Sie werden vor dem Hintergrund der gegenwärtigen geschichts-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Debatten in kurzen, pointierten, kritischen Essays daraufhin befragt, wie sie sich in die Geschichte von race & sex eingeschrieben haben und wie ihre Bedeutung heute zu verstehen ist.
O autorze
Jürgen Martschukat ist Professor für Nordamerikanische Geschichte an der Universität Erfurt. Er forscht vor allem zur Geschichte von Gewalt, Familien und Körpern sowie zur Geschlechtergeschichte. Seine jüngste Monografie über Die Ordnung des Sozialen. Väter und Familien in der amerikanischen Geschichte (Campus 2013) ist mit dem Adams Award der Organization of American Historians als bestes nicht-englischsprachiges Buch der Jahre 2013/14 sowie mit einem Preis von Geisteswissenschaften International ausgezeichnet worden. Derzeit schreibt er an einer Geschichte der Fitness.
Dr. Olaf Stieglitz ist Privatdozent am Historischen Institut der Universität zu Köln in der Abteilung für Nordamerikanische Geschichte, wo er auch 2012 habilitierte. Außerdem lehrte er u.a. an der Freien Universität Berlin, der Universität Erfurt, der Universität Münster, der Universität Hamburg und der Universität Bremen. 2005 war er als Feodor Lynen Stipendiat der Alexander-von-Humboldt-Stiftung als Gastwissenschaftler an der Florida State University in Tallahassee, USA, tätig. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Sozial- und Kulturgeschichte der USA, Geschlechter-, Körper-, und Sportgeschichte, Geschichte und visuelle Medien und Loyalität und Denunziation. Sein laufendes Buchprojekt trägt den Titel Modernity in Motion – Visualizing Athletic Bodies, 1890s-1940s.