Die bisherige Forschung hat den anthropologischen Paradigmawechsel der europäischen Spätaufklärung (ca. 1750–1800) vorwiegend als einheitlichen Prozeß gedeutet und die Gegenstandsfelder jeweils nur sektoral abgehandelt. Der vorliegende Band geht einen anderen Weg. Er insistiert auf dem Zusammenhang von Konstruktions- und Gegenstandslogik in der Anthropologie und begreift ihn als Ausdifferenzierung im Spannungsfeld von physischem und sittlichem Menschen. Die Einzelstudien behandeln folgende Themen bzw. Interpretationsverfahren: Das Verhältnis von Soma und Pneuma; die Selbsterzeugung des Menschen im naturhistorischen Prozeß; Anthropologie und Zivilisationsgenese; Empirismus als anthropologische Erkenntnisform; Anthropologie und Utopie; fiktive Anthropologie als Erkenntnisverfahren; Philosophie, Wissenschaft und Mythos.
Cuprins
Inhalt: Wolfgang Riedel , Erster Psychologismus. Umbau des Seelenbegriffs in der deutschen Spätaufklärung. – Carsten Zelle , Johann August Unzers »Gedanken vom Träumen« (1746) im Kontext der Anthropologie der >vernünftigen Ärzte< in Halle. – Hans Werner Ingensiep , Der aufgeklärte Affe. Zur Wahrnehmung von Menschenaffen im 18. Jahrhundert im Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur. – Kurt Bayertz , Der aufrechte Gang: Ursprung der Kultur und des Denkens? Eine anthropologische Debatte im Anschluß an Helvétius’ »De l’Esprit«. – Johannes Rohbeck , Erklärende Historiographie und Teleologie der Geschichte. – Karl-Heinz Schwabe , Philosophie, >science of man< und >moral sciences< in der Schottischen Aufklärung. – Heinz Thoma , Anthropologische Konstruktion, Wissenschaft, Ethik und Fiktion bei Diderot. – Werner Nell , Konstruktionsformen und Reflexionsstufen des Fremden im Diskurs der Spätaufklärung bei Diderot und Forster. – Ulrich Gaier , Anthropologie der Neuen Mythologie. Zu Funktion und Verfahren konjekturalen Denkens im 18. Jahrhundert. – Jörn Garber , Von der »anthropologischen Geschichte des philosophierenden Geistes« zur »Geschichte der Menschheit« (Friedrich August Carus). – Manfred Beetz , Wunschdenken und Realitätsprinzip. Zur Vorurteilsanalyse in Wielands »Agathon«. – Martin Disselkamp , Ohnmacht und Selbstbehauptung der Vernunft. Zu Christoph Martin Wielands »Goldnem Spiegel«. – Richard Saage , Die >anthropologische Wende< im utopischen Diskurs der Aufklärung. – Monika Neugebauer-Wölk , Praktische Anthropologie für ein utopisches Ziel: Menschenbeobachtung und Menschenbildung im Geheimbund der Illuminaten. – Alain Montandon , Konversation und Gastlichkeit in der französischen Aufklärung: zur Konzeptualisierung sozialer Interaktion zwischen Kontinuität und Umbruch.