Der ‘Westen’ gehört zu den bedeutendsten Begriffen des internationalen politischen Vokabulars im 20. Jahrhundert. An der langen Jahrhundertwende wurde er in Europa und den USA in markanter Weise geprägt: als Begriff der kolonialen Zivilisierungsmission und als Gegenpart zu einem mit dem russischen Autokratismus assoziierten ‘Osten’. Im ‘Westen’ verorteten die imperialen Großmächte ihre angeblich überlegene ‘Zivilisation’; mit ihrer proklamierten Zivilisierungsmission rechtfertigten sie koloniale Herrschaft und Gewalt. Während des Ersten Weltkriegs wurde der ‘Westen’ zum Schlagwort der Alliierten, besonders nach dem Kriegseintritt der USA, während Deutschland seine Ablehnung gegenüber ‘Westlertum’ und ‘westlicher Demokratie’ kultivierte. Im Begriff des ‘Westens’ kristallisierte sich die Ambivalenz der Moderne.
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Riccardo Bavaj, University of St. Andrews;
Martina Steber, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin.